„SilverStars aktiv“ – Projektarbeit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und der Deutschen Jugend aus Russland

 

Ältere MigrantInnen in Stuttgart und in kleineren Städten werden in eine aktive Lebensposition gebracht, indem sie selbst gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit organisieren und durchführen.

Sie bekommen dabei die Unterstützung von jüngeren Leuten. 

Einwanderer der ersten Generation suchen soziale Treffpunkte in ihrer Herkunftssprache auf. Dies gilt sowohl für die ehemaligen „Gastarbeiter“ aus Südeuropa als auch für russischsprachige Einwanderer (Spätaussiedler, jüdische Einwanderer, Russen, Ukrainer etc.), die zusammengefasst die größte Migrantengruppe der Über-60-jährigen in Baden-Württemberg bilden. Dennoch gibt es kaum Strukturen, wo die Migranten-Senioren in einer aktiven Position an gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen könnten.

Selbst in Begegnungsstätten für Senioren, in Beratungsdiensten der Altenhilfe und in geronto-psychiatrischen Ambulanzen, deren Ziel nicht direkt ist, die Teilhabe zu unterstützen, sind ältere Migrantinnen und Migranten unterrepräsentiert, obwohl sie häufiger von sozialen Problemen (Altersarmut) und von Alterserkrankungen betroffen sind als die Gesamtbevölkerung.

Mögliche Gründe dafür sind Verständigungsprobleme in der deutschen Sprache und ein kulturell bedingt anderer Bedarf an Begegnung, Beratung und Betreuung. Private ambulante Pflegedienste in der Muttersprache werden von pflegebedürftigen Migranten sehr stark beansprucht, was den Bedarf an kultursensiblen Angeboten in der Herkunftssprache bestätigt.

Hinzu kommt, dass viele ältere Migranten trotz der vorhandenen Begegnungsmöglichkeiten unter Einsamkeit und Depressionen leiden. Dies ergab unsere aktuelle Umfrage unter den älteren russischsprachigen Einwanderern.

Dem Hinweis einiger kommunalen Sozialämter in Baden-Württemberg, dass ältere Migranten die bestehenden Begegnungs- und Beratungsangebote in Anspruch nehmen könnten und dies teilweise auch tun, steht mehrfache Aussage von Begegnungsstätten selbst gegenüber, dass die Migranten aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen SU immer Ausreden finden und zu für sie organisierten Veranstaltungen nicht kommen würden.

Es fehlt oft an integrierten Begegnungs- und Beratungszentren aber auch an Initiativen, bei denen ältere Migranten ihre Empirie, ihr Können und Wissen ansetzen und damit am Gemeinwesen aktiv teilnehmen können. 

Damit ist eine Heranführung der Senioren mit Migrationshintergrund an eine aktive Lebensposition in unserer Gesellschaft, geschweige denn ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen, so gut wie ausgeschlossen.

Mit dem Projekt „SilverStars aktiv“ versuchen die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und der Jugendverband DJR – Deutsche Jugend aus Russland dem Problem exemplarisch entgegenzuwirken. Das Projekt wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert.

Es erfolgt eine modellhafte Erprobung eines integrierten Begegnungs- und Beratungszentrums „aus einer Hand“ für ältere Migrantinnen und Migranten der größten Einwanderergruppen. Allerdings steht dieses Zentrum allen älteren Personen zur Verfügung, unabhängig von ihrer Herkunft.

Gleichzeitig entstehen in einigen kleineren Städten „SilverStars aktiv“-Gruppen.

Die SilverStars-Initiativen sind keine Parallelstruktur zur Regelversorgung sondern ein ergänzendes und vor allem notwendiges Angebot und eine Brücke für ältere Migranten von landsmannschaftlichen Vereinen zur gesellschaftlichen Teilhabe im Alter (Kultur, Integration) sowie zu den Regelstrukturen der Altenhilfe, wenn dies erforderlich ist.

Die Hauptzielgruppe sind ältere MigrantInnen ab 60 Jahre.

Zur Umsetzung der Projektaufgaben werden folgende Ziele gesetzt:

Stärkung der Kompetenzen von zugewanderten Senioren in den Städten aber auch im ländlichen Bereich durch das Ehrenamt.

Gleichberechtigte Teilhabe Zugewanderter am gesellschaftlichen und politischen Leben über Organisation des Ehrenamtes bei Migrantensenioren ermöglichen.

Sinnvolle Einbeziehung der Migranten-SeniorInnen in die Integrationsprozesse durch die Aktivierung des Potentials der Senioren. Potential der Senioren in Gemeinwesen nutzen.

Bedarfs-Erhebung und –Analyse bei älteren Migranten in Integrationsprozessen. Dementsprechend sollen Empfehlungen für die Ehrenamtlichen ausgearbeitet werden, wie die Migranten-SeniorInnen in eine aktive Lebensposition versetzt werden können.  

Zu diesem Zweck stärken junge Leute die Kompetenzen von zugewanderten Senioren in Stuttgart und in weiteren Kommunen.

Zurzeit laufen folgende Aktivitäten:  

DJR e. V. sorgt als Kooperationspartner für Qualifizierungsmaßnahmen und Schulungen der Ehrenamtlichen.

Die DJR e. V. akquiriert junge Leute für die Seniorenarbeit, schult sie und organisiert Tandems „Junger Mensch – SeniorIn“.

Das junge Team aus der DJR bereitet eine Senioren-Umfrage vor, in der alle zentralen bzw. für die Senioren wichtigen Fragen zu Integrationsprozessen vorkommen. Die Umfrage bekommt den Namen „Senioren-Blick“.

Es entstehen Angebote.

  • Aufbau und Begleitung der aktivierenden Gruppenangebote in der Begegnungsstätte mit Informationen zur Gesundheitsförderung, eigenständigem Leben im Alter und zu bestehenden Angeboten der Altenhilfe (in Kooperation mit den Fachdiensten), sowie gemeinsame Aktivitäten zur Förderung der kulturellen Teilhabe und Bildung
  • Erstanlauf- und Beratungsstelle zu Fragen der sozialen Sicherung im Alter, Pflege usw., mit gezielter Weitervermittlung an die jeweiligen Fachdienste, ggf. mit Dolmetscherservice
  • Förderung des Ehrenamtes der Senioren, um deren Erfahrungen und Potenziale zu nutzen und ihnen sinnstiftende Betätigungen zu ermöglichen.

Die Angebote setzen an den Bedürfnissen der Betroffenen ans und sind kostenfrei.

Methoden der Arbeit:  Das Empowerment–Konzept und „Hilfe zur Selbsthilfe“ als Stütze für die Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstentwicklung.

Qualifizierung der Ehrenamtlichen und Professionalisierung der Arbeit sind ein Garant für die Nachhaltigkeit. Es wird mit kommunalen Strukturen so eng zusammengearbeitet, dass die im Konzept vorgeschlagenen Formen der Seniorendarbeit nach Ablauf des Projektes über die örtlichen Einrichtungen gesichert werden können.

Es ist zu erwarten, dass das Projekt neues Licht auf ein fast vergessenes Thema „Migrantensenioren“ werfen und der Findung neuer Lösungen beitragen wird.

Wir versuchen einer Problematik entgegenzuwirken, die sicherlich in der Zukunft die Politik beschäftigen wird. Es gibt viele Gründe dazu. Hier nur einige davon:

Die Strukturen der russlanddeutschen Großfamilien halten nicht mehr so fest zusammen. Die traditionelle Einstellung: „Wir kümmern uns um unsere Senioren selbst“ — bleibt weg. Damit wächst der Betreuungsbedarf. Tendenz steigend.

Der Bedarf an interkultureller Öffnung von Seniorenbetreuung bzw. Seniorenhilfe ist offensichtlich.

Mit unserem Projekt probieren wir neue Wege aus. Die Ergebnisse werden analysiert und auf multiplikatorischem Wege weiter vermittelt.

 

Ernst Strohmaier

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